Montag, 11. März 2013

Heini-Langlotz-Lauf: What you deserve is what you get

Also! Erster Wettkampf des Jahres. Das Jahr nach dem 2:59:50h-Hammer über 42,195km. Nachdem ich locker unter 40 Minuten über 10km gelaufen bin. Diese Schallmauern waren für mich schon immer der Inbegriff eines richtigen, ambitionierten Läufers. Abgehakt, geschafft. Was kommt jetzt?

Brühl halt. Heimat von Steffi Graf (eine super Frau!). Ich vermisste im dazugehörigen Steffi-Graf-Park die goldene Statue von ihr oder zumindest ihrer Nase. 10km durch die dortige flache Landschaft. Ein Lauf zu Ehren einer lokalen Trainergröße, wie mir ortsansässige Sportler erklärten.
Bislang ging es für mich bei Läufen, zu denen ich antrat, immer darum, eine Bestzeit abzuliefern. Das war ursprünglich ja auch dieses Mal der Fall gewesen. Dann fiel ich auf die Nase, eine Woche Bett und Antibiotika waren die Folge. Die Form war zwar nicht komplett tot, aber doch ziemlich angeschossen. Also wollte ich zumindest unter 40 Minuten finishen. 39:59min liest sich einfach geil. Und wenn das Leben schon arm an Reizen ist, kann ich mir wenigstens über diese Ereignisse den Kick holen.
Mit der Überzeugung, das auch in Brühl hinzukriegen, ging ich an den Start. Ein gutes Gefühl hatte ich freilich nicht, denn 10km am Anschlag zu laufen, ohne dass man richtig vorbereitet ist, kann nicht gut gehen. Wobei es hier nicht auf die Distanz ankommt. Ob ich jetzt 10km oder 1km laufe: Es ist wurscht, solange mein Vorhaben nicht mit meiner Trainingsrealität übereinstimmt. Und die war alles andere als ideal: Zu wenig km generell, zu wenig Intensitäten, zu kurze und zu unterbrochene Vorbereitung.

Warum dachte ich dann, doch unter 40 Minuten laufen zu können? Naja, ich glaubte nicht wirklich daran. Allerdings wollte ich meine Überzeugung nicht einfach aufgeben. Ein bisschen natürliches Selbstbewusstsein habe ich mittlerweile beim Laufen schon entwickelt. Ich weiß, dass ich mich auch quälen kann und im Wettkampf in der Lage bin, mehr zu leisten als ich vorher erwartet habe. Wenn man es mir negativ auslegen will, könnte man sagen, ich bin ein bisschen arrogant an die Sache rangegangen: Die 10km krieg ich schon hin, hab ich schon geschafft, schaff ich also wieder, kein Problem. Ja so etwa war meine Haltung.

Dann gings an den Start. Wind war da (blöd) und wir rannten halt mal los.

1. Kilometer: 3:54min. Okay. Geht. Zu schnell losgerannt, aber das kenne ich von ALLEN meiner 10km-Läufe bislang. Ich kann das Wasser nicht halten.

2. Kilometer: 3:55min. Gut, ich bin schön im Laufen. Da scheint ja was zu gehen.

3. Kilometer: 4:01min. Okay, ganz leicht ist es doch nicht. Machen wir mal ein bisschen lockerer, die Rennerei strengt ganz schön an.

4. Kilometer: 4:04min. Okay, das mit dem lockerer machen funktioniert zeitlich zwar gut, wirklich angenehmer wird es leider nicht.

5. Kilometer: 4:09min. Äh ja, also es fühlt sich nicht so an, wie es sollte. Schön, die Hälfte ist rum, ich sollte den Zeiten nach entspannter sein, fühle mich aber wie kurz vorm Herzkasper. Das sollte anders sein. Strategieänderung: Vergiss die 40 Minuten. Lauf halt mal weiter, eventuell kommst du ja ins Ziel.

6. Kilometer: 4:06min. Es wird nicht besser. Aber auch nicht schlechter. Schlechter geht auch nicht  mehr.

7. Kilometer: 4:11min. Es kommen andauernd kurze Erhebungen mit rein. Normalerweise nicht der Rede wert, aber ich werde gerade von einem Läufer überholt, der die 40 schon lange überschritten hat (also Jahre, nicht Minuten), bleibe kurz an ihm dran und platze an einem solchen 20m-Anstieg weg. Innerhalb von 50m nimmt er mir 60m ab. Oder so.

8. Kilometer: 4:08min. Hm okay, ich würde gerne bitte im Ziel sein. Wenn es geht sofort. Geht nicht? Okay, dann wenigstens unter 41 Minuten. Ein Schlusssprint sollte da ja wohl gehen.

9. Kilometer: 4:17min. Oh, ich bin anscheinend kurz ohnmächtig gewesen, oder warum war dieser Kilometer ungefähr der langsamste Kilometer in nem 10km-Rennen seit drei Jahren für mich!? Ich versuche, mich in eine Art zenmäßige Gleichgültigkeit zu versetzen. Phasenweise bricht sich der Selbsthass allerdings Bahn, der mein arrogantes 40min-Gehabe verflucht. Zu Recht.

10. Kilometer: 4:04min. Geil, mein Endspurt geht zunächst bei Kilometer 9,01 los, dann sehe ich, dass sich die Strecke doch noch etwas zieht. Ich nippel kurz ab, hasse mich selbst (Grund: bei gescheiter Vorbereitung könnte ich jetzt im Ziel schon am Isodrink nuckeln), torkel um hundert Kurven und kann dann den kürzesten Schlussspurt aller Zeiten hinlegen. Etwa 20m vor dem Ziel erhöhe ich das Tempo. Das nächste Mal trage ich meiner Freundin auf, mich mit lauten Buhrufen und Schmähgesängen zu empfangen, wenn ich nochmal derartig verspätet im Ziel auftauche. Mitleidsapplaus braucht kein Mensch.

Endzeit: 41:17min. Wer mitgerechnet hat, erkennt, dass die dazugehörigen km-Zeiten zu einem anderen Ergebnis kommen. Liegt wie immer an der GPS-Ungenauigkeit. Rechnet überall ein paar Sekunden dazu. 41:17min. Das ist ziemlich schlecht für mich. Aber eben genau das, was ich derzeit kann. Und genau das, was dabei heraus kommt, wenn man entgegen aller Erfahrungswerte einfach mal ein Ziel festlegt und erst nach der Hälfte der Strecke, wenn einfach schon ALLES zu spät ist, entscheidet, dass diese Zielvorgabe absoluter Hirnschiss ist und man doch mal lieber langsamer machen sollte. Was in diesem Falle ja nicht mal mehr eine Frage des "ob" ist, weil schnell wäre halt eh nicht mehr gegangen.
Ich hatte heimlich auf den Pariseffekt spekuliert. Loslaufen, nach Gefühl, sich quälen, in den Arsch treten, über sich hinaus wachsen und das Ding am Ende nach Hause fahren. Ging halt nicht. Warum nicht? Ganz einfach: Solche Fabelrennen, bei denen man meint, über sich hinaus zu wachsen, sind gut und schön. Trotzdem läuft man immer nur im Rahmen seiner Möglichkeiten. Und die muss man perfekt ausnutzen können. Dazu gehört eine richtige Renneinteilung und ein Gefühl dafür, was geht und was nicht geht. In Paris war das Gefühl: Geil, das geht ja tatsächlich! In Brühl war das Gefühl: Igitt, das geht ja gar nicht! Und ich wollte mir einprügeln: DOCH, DOCH, DAS GEHT!!! RENN! Und die Quittung kam, indem ich von Leuten auf der zweiten Hälfte des Rennens eingeholt wurde. So etwas passiert mir normalerweise nicht. Ich habe mich dieses Mal mit meinem Ziel einfach übernommen. War mir eine schöne Lehre. Besonders sauer war ich auch nicht. Kann passieren. In vier Wochen ist die nächste Möglichkeit, es besser zu machen.

Der Maarauelauf sollte dann doch mal mit 4min/km zu absolvieren sein. So ist das Fernziel. Und das wird halt angeglichen, falls das Training doch wieder aussetzen muss aufgrund von eigener Dummheit.

Ach und was ich mich immer wieder frage: Mache ich mir um die Lauferei zu viele Gedanken? So viel Text zu einem so unbedeutenden Ereignis. Es stört mich nicht, dass ich es dieses Mal verkackt habe. Und doch habe ich das Bedürfnis, so viel darüber nachzudenken und den Unsinn aus meinem Kopf in die Weiten des Internets zu übertragen. Warum? Ah, bevor irgendwer was sagen will, ich habe die Antwort: Ich bin halt nicht ganz knusper. Und nein, das sage ich nicht aus Selbstdarstellungsgründen und finde mich damit irgendwie außergewöhnlich und einzigartig (dafür kenne ich genug Vollidioten - und das meine ich ganz sicher nicht nett). Es ist halt so.

Montag, 4. März 2013

...und zwischendurch mal auf die Schnauze fallen

Wie viele Schritte macht ein Läufer während seines Läuferlebens? Ich möchte jetzt keine Milchmädchenrechnung aufmachen, also sage ich einfach mal: ziemlich viele. Wie viele dieser Schritte sind potenziell dazu geeignet, eine Gefahr für die Gesundheit zu sein? Naja, prinzipiell natürlich jeder einzelne. Bei jedem Schritt kann man umknicken, vom Blitz getroffen, vom Baum erschlagen, vom Auto überfahren, vom Mitmenschen zu Klump gehauen werden. Bislang ist mir bis auf die Umknickvariante aber noch nichts davon passiert - und das Umknicken war zwar immer fies und unerwartet, für die Gesundheit aber folgenlos. Also haken wir diese Ereignisse unter "allgemeines Lebensrisiko" ab. Dann gibt es da aber noch diese Schritte im Leben eines Läufers, die tatsächlich gesundheitsgefährdend sein können. Etwa, wenn es draußen dunkel ist und man den Boden nicht wirklich nach Löchern, Eisplatten oder ähnlichem inspizieren kann. So ist es mir dieses Jahr zum allerersten Mal passiert, dass ich während einer Laufrunde tatsächlich mal auf dem Arsch gelandet bin. Es war glatt, ich war gerade inmitten eines Intervalls und hinzu kam auch noch eine scharfe Linkskurve. Ich habe das Unglück beinahe schon kommen sehen. Oft rutscht man ja auch einfach mal mit einem Bein weg, kann sich dann aber wieder fangen. Dieses Mal ging das nicht, da es wirklich echt voll glatt war. Ich merkte das rechtzeitig und legte mich gekonnt auf den Hintern, rutschte noch zwei, drei Meter und stand wieder auf. Nichts war passiert. Ich konnte meine Einheit ohne Probleme beenden.

Was aber, wenn ein gefährlicher Schritt nicht derart kalkuliert und kontrolliert in einen Sturz mündet, sondern für den Läufer vollkommen unerwartet kommt? Nun, dann hat er ja immer noch die Hände, um sich irgendwie abzufangen. Was, wenn die Reaktionsfähigkeit aufgrund Alkoholkonsums leicht eingeschränkt ist? Dann hat der Läufer wohl gerade Laufpause und ist auf dem Weg zu einer sportfernen Aktivität. Was, wenn dieser Läufer dabei zum Bus sprintet und mit einem beherzten Sprung drei Stufen gleichzeitig überwinden will? Dann steigt die Gefahr eines Sturzes mit unguten Folgen drastisch an. So oder so ähnlich ist es mir vor ca. drei Wochen ergangen. Ich konnte meinen Sturz gekonnt mit meinem Gesicht bremsen. Folge: Nasenbruch, nähbedürftige Wunden an Nase und oberhalb der Lippe und Schürfwunden auf der Nase und Stirn.

Nachdem ich zwei Wochen wirklich fantastisch trainiert habe, bremste ich mich dieses Mal selbst aus. Glücklicherweise war nichts wirklich Schlimmes passiert. Zähne noch vollzählig und ohne Macken, Zunge nicht abgebissen und die Nase nicht schief und der Bruch auch nicht der Rede wert (er war wohl sehr klein).

Trotzdem setzte ich mit dem Training zwei Wochen komplett aus. Letzte Woche konnte ich wieder voll einsteigen. Ich bin ganz zufrieden mit meinem Trainingszustand, die Intervalle und Tempoläufe flutschten ganz gut. Am kommenden Sonntag ist mein erster Wettkampf dieses Jahr. Ohne Zwangspause hätte ich evtl. meine Bestzeit attackieren können. Jetzt wäre ich mit einer Zeit unter 40 Minuten sehr zufrieden.

Ich schäme mich zwar für dieses peinliche Missgeschick, kann es aber leider nicht ändern. Also bleibt nichts übrig, als einfach weiter zu laufen. Und davon auszugehen, dass mir bei den vielen, vielen, VIELEN Schritten, die mir noch in meinem Läuferleben bevor stehen, nicht noch einmal etwas derartiges passiert.